Der Kanonengießer

[202] Die Hügel hingen rings voll Tau;

Da hat die Lerche gesungen.

Da hat geboren die arme Frau –

Geboren den armen Jungen.


Und als er sechzehn Jahre alt:

Da wurden die Arme strammer;

Da stand er in der Werkstatt bald

Mit Schurzfell und mit Hammer.


Da rannt er den Öfen in den Bauch

Mit schweren Eisenstangen,

Daß hell aus Schlacken und aus Rauch

Metallne Bäche sprangen!


Kanonen goß er – manches Stück!

Die brüllten auf allen Meeren;

Die brachten die Franzen ins Ungelück

Und mußten Indien verheeren.
[202]

Die warfen Kugeln, leidlich schwer,

Den Chinesen in die Rippen;

Die jauchzten Britanniens Ruhm daher

Mit eisernen Kehlen und Lippen!


Und immer goß der lust'ge Held

Die blitzenden Geschütze:

Bis ihm das Alter ein Bein gestellt,

Die Fäuste wenig nütze.


Und als sie versagten den Dienst zuletzt,

Da gab es kein Erbarmen:

Da ward er vor die Tür gesetzt

Wohl unter die Krüppel und Armen.


Er ging – die Brust so zornig weh,

Als ob sie der Donner duchgrollte

Von allen Mörsern, die er je

Hervor aus den Formen rollte.


Doch ruhig sprach er: »Nicht fern ist das,

Vermaledeite Sünder!

Da gießen wir uns zu eignem Spaß

Die Vierundzwanzigpfünder.«
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Quelle:
Georg Weerth: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Band 1, Berlin 1956/57, S. 202-204.
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