Abschied von Rom

[236] Noch fühl' ich der theuren Schwester brennende Thräne,

Und den liebenden Druck des zärtlichen Bruders,

Nacht umfängt mich und bringt den Freunden

Die tiefe Bewegung meiner Brust.


So war denn auch diese Lebens-Aera geschlossen?

Brause nur Rom, mit deinen Brunnen,

Wie Schluchzen klingt es mir herüber,

Da vernehm' ich selbst das Donnern

Der großen Fontana di Trevi,

Bei der ich oft in Nächten verweilt,

Der ich mich viel am Tage gefreut,

Lebt wohl, ihr Plätze, ihr Säulen,

Du großes verstörtes Haus, jetzt Heiligthum,

Du Coliseum, das ich noch jüngst[236]

Beim Glanz des Vollmonds durchschritten,

Deine Gewölbe besucht, als die Freunde

Ueberkletternd den Eremiten weckten.


Du Sankt Peter, nie seh' ich dich wieder,

Edler stets, und größer, majestätischer und heiliger,

Aber auch erfreulicher, behaglicher, umfängst du den Wandrer,

Je öfter er deinen königlichen Raum besucht.


Schon sind wir durch das Thor. –

Da denk' ich des Vatikans

Und der göttlichen Dichtungen Rafaels,

Der erhabnen Sistina,

Und auch des heimlichen Stübchens oben,

Wo in der stillen Einsamkeit

Ich die Pergamente las und in Lust mir vieles schrieb,

Indeß durch die heiße ruhende Luft

Ein ferner Ambos und Hammer lieblich erklang.

Wie oft sah ich dann rückkehrend die Götterbilder,

Und die freundlichen Logen. –
[237]

Alles versinkt jetzt hinter mir:

Noch glänzt im innern Auge das farnesische Gartenhaus,

Die Blumendichtung von Amor und Psyche,

Und die trunkne Galathea;

Wen hier nicht Lebenslust anlacht,

Heiterkeit und Muthwill grüßen,

Der entsage der Kunst und Farbe.

Aber auch Lebewohl dir,

Pallast Farnese,

Wo ich gelernt in herrlichen Bildern

Des Carracci Dichtung bewundern;

O was nenn' ich, was verschweig' ich,

Das Gedächtniß ermüdet,

Alle die Wunder, die großen Erinnerungen,

Aller der Steine und Tafeln Pracht,

Des Erzes Bildwerk wiederzusagen.


Mit kindlicher Rührung pilgerte ich auch zu dir,

Grabmal der Cäcilia Metalla,

Das ich mit seinen wilden Ruinen umher

Schon längst in frühen Träumen beschrieb,[238]

Und oft in Gedanken damals

Vor der Porta Sebastiana mich erging.


Nun vernimmt mein Ohr nicht wieder

Den heiligen Gesang, dich Palestrina,

Der du wie mit Engelsfittigen

Dich in dem Born des Paradieses tauchst,

Aufrichtest du dich im klaren Morgenlicht,

Schüttelst die großen farbigen Schwingen,

Und nieder fließen die Tropfen

In hellen, reinen Himmelstönen.


Ungern auch vermiß ich die heitern Klänge,

Das bewegte Leben der Opern und Theater,

Von den Franken noch heftiger aufgeregt.

So vollendet seh ich vielleicht das Lustspiel nie mehr,

Wie es diese Frauen und Jünglinge zeigten,

Und der treffliche Perthica.


Vielleicht auch seh ich nie die Künstler wieder,

Die in vielen Stunden mich erfreut.

Dich vor allen begrüß' ich, edler Freund,[239]

Dich, treflicher Schick, dein freundliches Gemüth,

Dein klarer Sinn wird schöne Gebilde dichten,

Wenn die Parze dir den Lebensfaden spinnt,

Vollende dein Apollo unter den Hirten,

Welcher verkündigt, was du vermocht.


Schon erhebt sich der Tag

Und weit hinter uns liegt Rom,

Auch mein Freund ist ernst,

Der mit mir nach Deutschland kehrt,

Der mit allen Lebenskräften

Sich in alte und neue Kunst gesenkt,

Der edle Rumohr,

Deß Freundschaft ich in mancher kranken Stunde

Trost und Erheitrung danke.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 3, Heidelberg 1967, S. 236-240.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Vollst Ndige Sammlung Klassischer Und Volksth Mlicher Deutscher Romanzen Und Balladen Aus Dem 18. Und 19. Jahrhundert: Vollst Ndige Sammlung Klassischer Und Volksth Mlicher Deutscher Gedichte Aus Dem 18. Und 19. Jahrhundert, Volume 2 (Paperback)(German) - Common
Vollst Ndige Sammlung Klassischer Und Volksth Mlicher Deutscher Romanzen Und Balladen Aus Dem 18. Und 19. Jahrhundert: Vollst Ndige Sammlung Klassischer Und Volksth Mlicher Deutscher Gedichte Aus Dem 18. Und 19. Jahrhundert, Volume 1 (Paperback)(German) - Common
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Schriften in zwölf Bänden: Band 7: Gedichte
Schriften in zwölf Bänden: Band 7: Gedichte

Buchempfehlung

Dulk, Albert

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Diese »politische Komödie in einem Akt« spiegelt die Idee des souveränen Volkswillen aus der Märzrevolution wider.

30 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon