Erinnerung der Schäferstunden.

[19] Die holde Glut, die selbst Cythere fühlte,

Wenn ihren Hals Adonis Arm umschlang,

Wenn ihren Busen seine Küße wärmten,

Und sein Reitz unter ihren Händen wuchs:
[19]

Die Glut von der die jungfräuliche Kälte

Der jagenden Latonenstochter schmolz,

Die ihr beim eingeschlafnen schönen Jüngling

Sanft zurief: Wachend ist er schöner noch:


Die Glut, die Amors stärkste Pfeile stählet,

Oft auch zu kühn den Bogen spannt, und sprengt,

Die in den Myrtenkranz entzückter Liebe

Den unschätzbaren Demant künstlich steckt:


O möchte doch die Glut dies Lied begeistern,

O Liebe! hör' des Jünglings heißes Flehn,

Des Jünglings, der Dich zehnfach mehr empfindet

Als einst Adonis und Endymion.
[20]

Hör' mich, ich sing die Freudenaugenblicke,

Die ich an Chloris Busen schmachtend starb,

Da ich in meiner Hebe Opferschale

Der Wollust heilgen Nektar schäumend goß.


Wie in dem Busen aufgeknospter Rosen

Der Morgenthau, der an den Blättern hieng,

Zusammenfließt, und dann im rothen Schooße

Geschmolznen Perlen gleich ihr Roth erhöht:


So hiengen auch des fruchtbarn Thaues Tropfen

Hier um der Purpurmuschel weichen Rand,

Und an dem seidnen Moos, das sie umschattet,

Und mehrten ihrer Farbe kostbarn Reitz.
[21]

Wohlthätige, lustreiche Augenblicke,

Die Liebe und die Freude seegne euch,

Euch seegnete die Unschuld, als mein Mädchen

Aus ihrer Muschel mir die Perle gab.


O Wollust! welch ein unaussprechlich Opfer!

Hat den Altar je reiners Blut gefärbt?

Stets denkt mein Herz der Unschuld sanfte Röthe

Ihr Zittern, und des Opferstales Wut.


O Chloris bestes Mädchen, welch ein Opfer!

Bestürmt, erweicht durch meine Zärtlichkeit

Gabst du dein Kleinod hin. Ich brach das Röschen

Das jungfräulich im Schatten blühend stand.
[22]

O feyre mit mir, Mädchen, die Minute,

Die dir manch Perlenthränchen kostete;

In ihr schlang Amors Hand den schönen Knoten

Der unser Wesen heiligt und vereint.


Dem Tage Heil, an dem der kühne Amor

Den ersten Pfeil in deinen Köcher stach,

An dem die Biene den geschäft'gen Stachel

In deinen duftgen Bluhmenkelch vergrub.


So wie der Thau, der aus dem Thale rauchet

Mit wärmern Frühlingsregen sich vermischt;

So mischte sich der Wollust kräft'ger Balsam

Mit deiner keuschen Grotte mildem Thau.
[23]

Heil dir, o Tag, da ich den ganzen Umfang

Von deiner Tugend sah, da mich dein Aug

Und seiner feinen Bogen seltne Schönheit

Zu seufzen zwang: O wäre Chloris dein!


Heil dir o Tag, da ich zuerst Dich küßte,

Und deines Busens Rosenknospen sah',

Da ich des Heiligthums Altar berührte

Mit jungfräulichen Locken tändelte.


Heil dir o Tag, da ich der Wangen Purpur,

Im Aug dein Herz wollüstig schmachten sah,

Da bey der Zungen kützelnden Berührung

Der Lebenssaft aus Rosenlippen floß.
[24]

Heil dir o Tag, sey Grazien und Musen

Cytheren selbst, ein ewig Myrtenfest,

Denn Amor sang Triumpf, Triumpf und kränzte

Sich sechsmal am Altar mit Siegeslaub.


Feyr, Mädchen, ihn den Tag, da Du aus Liebe

Dich ganz dem Liebling zu genießen gabst.

Er war des zärtlichsten Vertrauens Ursprung

Und unsre Trennung labt noch jetzt sein Trost.


O, Mädchen, ha! wie kochten meine Adern,

Wenn Deine weiche kleine Zauberhand

Cupidens Scepter sanftverschämt berührte,

Und er von Wollust wuchs und überfloß –
[25]

O könnt ich doch den kostbarn Rausch beschreiben

Den ich zu Deinen Füßen oft gefühlt,

Wenn jeder neidsche Vorhang aufgezogen,

Und jeder Sinn entzückt befriedigt ward.


O Mädchen welche Schätze sah ich liegen!

Der seidnen lock'gen Haare Wohlgeruch,

Der Milchsaft in der Muschel feinsten Falten

Wie Rosen unter Lilien gemischt.


Wie zärtlich küßt ich nicht die schöne Rose,

Mein Mund sog Wollust für das Herz aus ihr!

Wie freut ich mich wenn alles nach der Rose,

Nach ihrem Thau und ihren Blätter roch.
[26]

Wie küßt ich nicht die nachbarlichen Hügel

Die Venus Hand mit Atlas überkleidt,

Die tausend buhlerischer Mädchen Busen

An Form und feiner Farbe übergehn.


Einst will ich Rosenknospen auf sie pflanzen

Sie sollen dann mein zweyter Busen seyn,

Bey ihrem Anblick werd' ich Wollust athmen,

Auch ihre Grotte sey mein Heiligthum.


Der Wollust Nektar wird sie fruchtbar netzen,

Wenn er sanft übern Rand der Muschel ströhmt,

Ihr heil'ger Busch ward davon dichter wachsen,

Und stärkre Düfte in die Gegend streun.
[27]

Auf diese wollustreiche kostbarn Hügel

Gelehnt erwart' ich dich, geliebter Schlaf.

Besuche einst mich da, und bring durch Träume

Die wachend schon genoßne Lust zurück.


O wenn ich dann von ihm gestärkt erwache

Dann küß' ich dich wollüstiges Baßin,

Und laufe frisch nach jenem Lorbeerkrantze

Der lockend in dem Schooß des Mädchens hängt.


Du hilfst dann deines Helden Lanze führen;

Wie herrlich wie gewis wird dann sein Sieg,

Und nach dem Sieg wird er das Ziel anstaunen,

Und froh entzückt die ofne Wunde sehn.
[28]

Dann einz'ges Mädchen, trocknen meine Küße

Den Schaum von rosenfarbnen Lippen ab,

Mir trocknen ihn die duftenden Gesträuche

Des Hügels überm Kampfplatz zärtlich ab.


O Liebe! o wie wirst du uns begeistern!

Wie himmlisch schön wird unser Glück durch dich,

Wenn unsre Seelen ineinander fließen,

Sey jeder Kuß ein Lob und eine Hymne.
[29]

Quelle:
[Johann Georg Scheffner]: Gedichte im Geschmack des Grecourt, Frankfurt; Leipzig 1771, S. 19-30.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon