Danklied

[254] Wie groß ist deine Lieb', o Herr,

Du freundlicher, du gütiger,

Wer kan dir gnugsam danken?

Ich bin vol Ungerechtigkeit,

Noch liebest du zur jeden Zeit

Mich Sündigen, mich Kranken,

Da gleichwol meine Missethat

Erschrecklich dich beleidigt hat![254]

Du hast uns deinen werten Sohn,

Das Licht der Welt, den Gnadenthron,

So väterlich gegeben

Und dieses große Sacrament,

Das man des Herren Nachtmal nennt,

Geschenket uns daneben,

Auf daß es solt ein Merkmal sein,

Daß alles unser ist, was dein.

Vernunft zwar kan es nimmer recht

Begreifen, noch die Zunge schlecht

Dieß große Werk erzählen,

Doch bitt ich, nimm itz gnädig an,

Dieß Kleine, das ich geben kan,

Laß meinen Wunsch nicht fehlen;

Hilf, daß ich dir mein Leben lang

Von Herzen sage Lob und Dank.

Du hast so wol erquicket mich,

Dafür preis' ich dich ewiglich;

Ach, stärke meinen Glauben!

Laß auch die Liebe feurig sein,

Verhüte, daß noch Not, noch Pein

Mir die Gedult wegrauben.

Herr, gib mir ein gehorsams Her,

Das sich nicht kehre hinterwärts.

Verleihe, daß ich meine Sünd',

Als welch' ich stets in mir noch find',

Herzinniglich bereue,

Daß ich der Lieb' und Sanftmut vol

Stets wandlen mög', und herzlich wol

In Jesu mich erfreue,

Und wenn mich gar nichts trösten kan,

So tritt du selbst mit Trost heran.

Herr, habe du zu Tag und Nacht

Auf mein Gebet und Seufzen Acht,

Laß mich die Sünde meiden;

Behüte mich für Satans List,

Der mir so sehr gehässig ist,

Ja, mich von dir wil scheiden,[255]

Halt' ihn, auch selber mich, im Zaum,

Daß ich ihm lasse keinen Raum.

Verleih, o Vater, daß allein

Mein Schutz und Wohnung möge sein

In Jesu Blut und Wunden;

Hilf, daß sein Leiden, Angst und Tod

Von mir in meiner letzten Not

So kräftig werd' empfunden,

Daß ich aus diesem Jammerthal

Bald fahr' in deinen Freudensal.

Dem Vater sei Lob, Ehr' und Preis,

Und dir, Herr Jesu, gleicherweis,

Als auch dem Geist der Gnaden;

Du heilige Dreifaltigkeit,

Verhüte, daß in dieser Zeit

Kein Feind mir müge schaden,

Drauf führe mich aus dieser Welt

Zum Himmel, wenn es dir gefällt.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 254-256.
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