An Selma. Als sie sich wieder aufs Land begab

[9] Wenn der goldnen Stadt Getümmel

Du, o Beste, nun entfliehst,

Und den heitren Segenshimmel

Deines Dörfchens wieder siehst,

Und der holde Herzensfriede

Liebend dir entgegenwallt,

Dir mit jedem Frühlingsliede

In die sanfte Seele schallt:
[9]

O, dann will ich zu dir eilen,

Mich des Frühlings mit dir freun,

Freud und Wonne mit dir theilen,

Unaussprechlich glücklich seyn!

Schöner wird der Hain uns lächeln,

Lenzgeschmückt und aufgeblüht,

Linder uns die Kühlung fächeln,

Wann die Abendröthe flieht.


Süsser jede Blume düften

In dem Pappelweidenthal,

Wo, umweht von Mayenlüften,

Du uns grüssest, Nachtigall!

Denn, o Unschuld, du beglückest

Uns mit Engelheiterkeit,

Winkst zur Freude, und entzückest

Bis zur Himmelsseligkeit!


Gutes Mädchen, wann uns immer

Unser Leben heiter lacht,

Wie des Mondes milder Schimmer

In der stillen Sommernacht,

O wie sollen unsrer Jugend

Wonnetage dann entfliehn,

Stets geleitet von der Tugend,

Dieser Freudenköniginn!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 9-10.
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