Zueignung

[291] Von allen, die den Sänger lieben,

Die, was ich fühlte, nachempfanden,

Die es besprochen und beschrieben,

Hat niemand mich wie du verstanden.


Des Herzens Klagen heiß und innig,

Die liedgeworden ihm entklangen,

Hat deine Seele, tief und sinnig,

Getreuer als mein Lied empfangen.


Die Schauer, die mein Herz durchwehten,

Die unerfaßlich meinem Sänge,

Sie sprachen, tröstende Propheten,

In deines Wortes süßem Klange.


Und dürft ich ahnend in den Bronnen

Der göttlichen Gedanken sinken,

So sah ich klar die dunklen Wonnen

In deinem schönen Auge blinken.


Der Himmel taut in finstern Hainen

Zum Lied der Nachtigallen nieder,

Und deine Augen sah ich weinen

Herab auf meine bangen Lieder.


Seh ich der Augen Zauberkreise

Gesenkt, geschwellt, in trauter Nähe,

Ists, ob ich deine Seele leise

Die Luft der Tugend atmen sehe.


Dein ist mein Herz, mein Schmerz dein eigen,

Und alle Freuden, die es sprengen,

Dein ist der Wald mit allen Zweigen,

Mit allen Blüten und Gesängen.[291]


Das Liebste, was ich mag erbeuten

Mit Liedern, die mein Herz entführten,

Ist mir ein Wort, daß sie dich freuten,

Ein stummer Blick, daß sie dich rührten.


Und sollt ich nach dem hellen Ruhme

Mich manchmal auch am Wege bücken,

So will ich mit der schönen Blume

Nur, Freundin, dir den Busen schmücken.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 291-292.
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