Hymne

[173] Groß ist der Herr! die Himmel ohne Zahl

Sind seine Wohnungen,

Sein Wagen, Sturm und donnernde Gewölk,

Und Blitze sein Gespann.


Die Morgenröth' ist nur ein Wiederschein

Vom Saume seines Kleids,

Und gegen seinen Glanz, ist Demmerung

Der Sonne flammend Licht.


Er sieht mit gnädgem Blick zur Erd herab;

Sie grünet, blüht und lacht.

Er schilt; es fähret Feur von Felsen auf,

Und Meer und Himmel klagt.


Lobt den gewaltigen, den gnädgen Herrn,

Ihr Lichter seiner Burg,

Ihr Sonnenheere! Flammt zu seinem Ruhm!

Ihr Erden singt sein Lob!


Erhebet ihn ihr Meere! Braust sein Lob!

Ihr Flüsse rauschet es!

Es neige sich der Cedern hohes Haupt,

Und jeder Wald für ihn!


Ihr Löwen brüllt zu seiner Ehr im Hayn!

Singt ihm, ihr Vögel! singt!

Seyd sein Altar ihr Felsen, die er traf,

Eur Dampf sey Weyrauch ihm!


Der Wiederhall lob ihn! Und die Natur

Sing ihm ein froh Concert!

Und du, der Erden Herr, o Mensch! zerfließ

In Harmonien ganz!
[174]

Dich hat er, mehr als alles sonst, beglückt.

Er gab dir einen Geist,

Der durch den Bau des Ganzen dringt und kennt

Die Räder der Natur.


Erheb ihn hoch zu deiner Seeligkeit!

Er braucht kein Lob zum Glück.

Die niedern Neigungen und Laster fliehn,

Wenn du zu ihm dich schwingst.


Die Sonne steige nie aus rother Fluth,

Und sinke nie darein,

Daß du nicht deine Stimm vereinigst mit

Der Stimme der Natur.


Lob ihn im Regen und in dürrer Zeit,

Im Sonnenschein und Sturm!

Wenns schneyt, wenn Frost aus Wasser Brücken baut,

Und wenn die Erde grünt.


In Überschwemmungen, in Krieg und Pest

Trau ihm, und sing ihm Lob!

Er sorgt für dich, denn er erschuf zum Glück

Das menschliche Geschlecht.


Und o wie liebreich sorgt er auch für mich!

Statt Golds und Ruhms, giebt er

Vermögen mir die Wahrheit einzusehn,

Und Freund' und Saytenspiel.


Erhalte mir, o Herr! was du verleihst;

Mehr brauch ich nicht zum Glück.

Durch heilgen Schaur will ich, ohnmächtig sonst,

Dich preisen ewiglich!


In finstern Wäldern will ich mich allein

Mit dir beschäftigen,[175]

Und seufzen laut, und nach dem Himmel sehn,

Der durch die Zweige blickt.


Und irren ans Gestad des Meers, und dich

In jeder Woge sehn,

Und hören dich im Sturm, bewundern in

Der Au Tapeten dich.


Ich will entzückt auf Felsen klimmen, durch

Zerrißne Wolken sehn,

Und suchen dich den Tag, bis mich die Nacht

In heilge Träume wiegt.

Quelle:
Ewald Christian von Kleist: Sämtliche Werke. Stuttgart 1971, S. 173-176.
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