Actus Secundus.


[567] Jetzt kömpt Hans herauß.


Ahah / ahah / nun bin ich voller Künste / ja ein kunstreich Kerl.


Legt den Stein bey sich.


Hier habe ich ein Kleinodt / und dieser Stein ist seiner Tugendt wegen tausendt Thaler werth. Den Stein habe ich in der Nacht umb 12. Uhr für der Kirchthür funden / der TeuffelsMeister sagets ich würde einen finden / unnd ich fand ihn auch. Aber / voll Künste / voll Künste ist der Stein.


Leget ihn auff die Achsel.


Ahah / ahah / ich bin nun gar verwandelt / und sehe Leibhafftig auß als Nachbar Wilhelm. Wanne / wanne ich bin ein kunstreich Kerl / voll eitel Kunst / voll eitel Kunst / so bald ich diesen Stein nieder lege / so bin ich wieder der listige practische Hans.

WILHELM kömpt eilends herauß. Ich habe so gar eilends etwas zu verschaffen.


Kömpt für ihn zu stehen / verwundert sich.


Wie zum Element siehet dieser Kerl auß? potz schlapperment: eben als ich / dieses kömpt mir wünderlich vor / denn[568] ich gar keinen Bruder habe / hörstu was bistu vor einer / gib dich kund.

HANS. Kennestu mich nicht / ich bin der Müller hie in diesem Dorffe.

WILHELM. Du der Müller? das leugstu wie ein Schelm / der Müller bin ich / und heiß Wilhelm.

HANS. Das wollen wir wol treffen / ich heiß Wilhelm und bin der Müller / und du solt sehen auff den Abendt wil ich in der Mülle bey deiner Frawen schlaffen.

WILHELM. Darfür sol dir potz Element auff deinen Kopff fahren.


Läufft hinein / Hans legt den Stein nieder / Wilhelm kömpt und hat ein Prügel.


Du Schelm wiltu mir bey meiner Frawen schlaffen? Aber? wo zum Teuffel ist der Schelm geblieben / sieh nirgendt ist er. Mein guter Nachbar Hans / was ich doch sagen wil / habt ihr keinen Kerl gesehen / der eben so außsieht wie ich?

HANS. Nein mein guter Nachbar Wilhelm ich hab keinen gesehen / aber sagt mir warumb fragt ihr?

WILHELM. Jetzund war ein Schelm hier / der hatte eben solche Kleider an wie ich / sahe auch gleichsam eben so auß wie ich / also daß ein jederman ihn vor mich ansahe. Derselb Schelm sagt[569] er hieß Willhelm / er were Müller allhie / und wolte auff den Abend auch in die Mülle kommen / und bey meiner Frawen schlaffen. Wo durch ich denn zu Zorn bewogen / und holete einen Prügel / wolt ihn abschlagen / wie ich wieder herausser komme / ist der Schelm weg.

HANS. Ja ich wil euch rathen mein guter Nachbar / daß ihr ewer Fraw in acht habet / auch nimmer von Hause ziehet / denn alßdenn solte der Schelm kommen / geben sich vor euch auß / und schlaffen die gantze Nacht bey der Frawen.

WILHELM. Ja gewiß ich befürchte mich vor den Schelm gewaltig / nun darff ich keine Nacht / ja keine Stunde mehr auß dem Hause bleiben.

ALTER. Mein guter Nachbar / sagt mir doch mehr von dem Schelm / wo stundt er denn?

WILHELM. Alßbald wil ichs euch sagen / wil nur zuvor den Prügel ins Hauß tragen.


Gehet hinein.


HANS legt den Stein auff die Achsel. Dieser Edelgestein ist mit keinem Gelde zu bezahlen.

WILHELM kömpt wieder. Mein guter Nachbar. Sieh sieh du Schelm bistu da wieder / dich sollen potz schlapperment holen.


[570] Laufft hinein / er legt den Stein abe.


Wo ist der Schelm? wo blieb er mein guter Nachbar Hans / ihr habt ihn ja gesehen? Wo lieff er hin.

HANS. Ja ich hab ihn gesehen / und hette geschworen ihr werets selbst / hie lieff er hin.


Er läufft hin.


Nun TeuffelsMeister ich werde dir mehr Geldt geben / denn du hast mich eine solche Kunst gelehret / davon ich mehr halte als von meiner Frawen.

WILHELM. Nein / nein der Schelm ist nirgendt.

HANS. Er muß da seyn / denn jetzt lieff er da hinein.

WILHELM. Er ist da nicht / denn es ist kein Orth ich habe ihn gesucht / derhalben deucht mich er kan kein Mensch seyn / sondern der Teuffel selbst.

HANS. Und ich glaub es auch / denn jetzt war er hie / und nun ist er verschwunden.

WILHELM. Wann der Schelm nur möcht stehen / ich wolt ihn zerschlagen / und were er auch des Teuffels Vater. Potz schlapperment / ich muß nach Hause lauffen / denn der Schelm möchte wol bei meiner Frawen seyn.


[571] Gehet hinein.


HANS. Lauff hin du einfältiger Narr / jetzt wirstu mich bey deiner Frawen nicht finden / aber auff ein ander Zeit werde ich wünderlich mit deiner Frawen spielen. Diese gewisse Kunst ist besser denn Goldt / denn sehen kan man ob seine Fraw auch getrew ist / ja nun weil ich dieses weiß / bin ich sechsmal besser und weiser dann zuvor. Nun / nun sol es erst recht angehen mit meiner Frawen / ich wil alßbald sehen / ob sie bey meinem Nachbar Wilhelm schlaffe / Nun wil ich sie herauß fordern / und mit meiner Kunst probiren.


Klopfft an.


Holla / holla mein gute Nachbarin / kompt ein wenig herauß.

FRAW. Wer ist da?


Kömpt herauß.


Seht Nachbar Wilhelm seyd ihrs? Seyd mir willkommen.

HANS. Ich dancke euch. Sagt mir wo ist ewer Mann?

FRAW. Mein Mann ist in zweyen Tagen nicht zu Hause gewesen / ich verwundere und betrübe mich sehr / wo er so lange bleibet.

HANS. So? nun hab ichs recht und wol getroffen Mein hertzliebe Nachbarin / so last uns nun mit einander frölich seyn / weil er nicht zu Hause ist.[572]

FRAW. Aber / wie frölich? das versteh ich nicht.

HANS. Wo nu? wo nu? wolt ihrs nicht verstehen / gebt mir einen Kuß / denn solches hab ich wol öffter von euch empfangen.

FRAW. Pfui dich an / pfui du Hurenschelm / denckestu mich zu unehren? Wenn hab ich dir Schelmen einen Kuß gegeben? nimmer. Hab ich nicht meinen hertzlieben Mann Hansen / wofür ist der? Dich sollen hiervor potz Element holen / denn ich wil dich so von der Thür jagen / daß du nit wissest wie du darvon kömpst.


Läufft hinein / Hans legt den Stein abe.


HANS. Das ist mir eine ehrliche Fraw / ein fromme auffrichtige ehrliche Fraw.

FRAW bringt ein Prügel in der Hand. Dich sollen potz! Der Schelm ist schon weg. Sieh da mein hertzlieber Mann Hans willkommen.

HANS. Mein hertzliebe Fraw ich dancke dir / sag mir wen woltestu schlagen mit deinem Prügel?

FRAW. O mein hertzlieber Mann / solches muß ich euch klagen. Hier kömpt der ehrvergessene Schelm der Müller Wilhelm her / und wolte mich zu Unzucht nötigen / sagte ich hette[573] ihm ja wol ehe einen Kuß gegeben / da ich doch mein Tage dem Schelm mit meinem keuschen Mund an sein unkeusches Maul nicht gekommen / denselben Schelm wolte ich dafür schlagen / und er ist mir entlauffen.

HANS. Wanne / welch ein Schelm / woltestu bey meiner Frawen schlaffen? Nun nun das sol dir redlich bezahlet werden / Fraw wiltu es gleuben / ich kan zaubern / und wils machen / daß der Schelm Wilhelm sol alßbald vor dich zu stehen kommen.

FRAW. O wenn ihr das köntet thun / beym Element ich wolte den Schelm grewlich zerschlagen.

HANS. Nein dißmal schlage ihn nicht / so sol er alßbald kommen.

FRAW. Nun so wil ich ihn nicht schlagen / machet daß er kömpt.

HANS. Das sol alßbald geschehen / stehe nur umb / und sieh mich nicht an.

FRAW. Ich kan es noch nicht gläuben / ich sehe es denn.


Gehet umbstehen / er leget den Stein auff.


Sieh wunder / wunder / wie geht doch dieses zu? da steht der ehrlose Schelm / der mein jetzo nach seinen Willen begehrete. Mein lieber Hans wo seyd ihr geblieben?[574]

HANS. Kehret euch umb Nachbarin / so wird ewer hertzlieber Mann Hans wieder bey euch seyn.


Kehret sich umb / er leget den Stein abe.


Sieh nun [her] wer bin ich nun?

FRAW. O mein hertzlieber Mann Hans. Ey mein lieber Hans saget mir doch wie gehet diß zu?

HANS. Das wil ich dir sagen / ich habe allezeit gemeynet das unser ehrlicher Nachbar Wilhelm bey dir schlaffen solte / derhalben gieng ich in die Stadt zum TeuffelsMeister / und gab ihn einen Ducaten / der muste mich lernen / daß ich des Nachbar Wilhelms Gestalt könte an mich nemen / als ich denn nun kan. Wormit ich dich versuchet / und ehrlich / from und redtlich funden.

FRAW. O mein lieber Mann / das vergelte euch Gott / ich wils euch allwege gerne vergeben. Ich wuste auch nicht wie das kam / fürwar ihr habt dem TeuffelsMeister das Geldt nicht vergebens geben.

WILHELM kömpt. Ey ey ich armer Kerl / höret doch mein guter Nachbar und Nachbarin / was ich euch klagen muß: Es kam ein ehrvergessener Schelm zu mir / der sahe Leibhafftig auß wie ich / und sagte er hieß Willhelm / er were Müller / und wolte auch in der Mühle die Nacht bey meiner Frawen schlaffen. Es war kein Mensch / sondern der Teuffel müst es seyn / denn wenn[575] ich ihn schlagen wolte / so verschwand er / wie euch mein lieber Nachbar bewust / weil ihrs selbst mit Augen angesehen.

FRAW. Hoho.

HANS. Halt das Maul Fraw und sage kein Wort / bey unser höchsten Ungnade / ja mein lieber Nachbar ich sahe ihn wol / es war der Teuffel selbsten / ihr müsset ewer Fraw wol verwahren / und nicht weit von ihr seyn / denn der Schelm schwur / er wolte bey ihr schlaffen.

WILHELM. Es gibt mir wol groß verhinderniß / daß ich allezeit / wenn ich weg gehe / meine Fraw sol verwahren. Jetzund da ich von ihr gangen bin / hab ich sie in die Kammer verschlossen / drey grosse Schlösser dafür gehangen / und ein hauffen Creutzgen an die Thür geschrieben.

HANS. Ja mein guter Nachbar Wilhelm / der Teuffel ist so ein Schelm / er brühet euch gleichwol / er fraget den Teuffel nach den Creutzigen / der Schelm kan durch Eiserne verschlossene Thüren kommen / und ich weiß / jetzund ist er bey ewer Frawen.

WILHELM. Hey ich armer Kerl / wie bin ich zu dem Kerl kommen / nun muß ich wiederumb nach Hause lauffen / und wo ich den Schelm bey ihr finde / so wil ich ihme die Augen auß dem Kopffe schlagen.


Wil hin lauffen.[576]


HANS. Halt halt mein guter Nachbar / laß dir erstlich was sagen / hie / hie ist der Mann voll Künste / ich bin der Mann / der sich in Wilhelms Gestalt machen kan / ich wil euch sagen/ ich kan zaubern.

WILHELM. Ey mein guter Hans / das möcht ich wol gerne sehen.

HANS. Kehret euch beyde umb / und sehet mich nicht an / alßdenn solt ihr sehen wie ich ewer Gestalt habe.

WILHELM. Wir haben uns nun umbgekehret.


Hans legt den Stein auff.


HANS. Sehet nun her.

WILHELM. Wanne / wanne beym Element das ist derselbe Kerl / der da sagt ihm gehöre die Mülle zu. Sehet meine gute Nachbarin / siehet er nicht eben so auß wie ich?

FRAW. Ja Leibhafftig sieht er so auß wie ihr. Wanne wanne Hans könt ihr solches / und sitzet hier.

HANS. Ich bin nun nicht Hans / sondern Nachbar Wilhelm / stehet ein wenig umb / so sol Nachbar Hans wieder kommen.[577]

WILHELM. Ja wir wollen umbstehen.


Stehen umb / legt den Stein abe.


HANS. Hie bin ich nun Leibhafftig wieder. Hahaha / habt ihr wol ewr Tage so ein kunstreich Kerl gesehen wie ich bin.

WILHELM. Nein all mein Tage nicht.

FRAW. Und ich auch nicht.

HANS. Derhalben must ihr mich nun fürder in grosse Ehren halten / als zuvorhin.

WILHELM. O Hans das versteht sich / viel in grössern Ehren / denn ihr seyd nun ein DOCTOR, wegen ewer Kunst. Aber mein lieber Hans / ich befürchte mich gleichwol für euch / denn ich kans nicht vergessen daß ihr saget / ihr weret der Müller Wilhelm / und wollet auch in die Mühle bey der Fraw / es ist war ich befürcht mich trefflich sehr / denn ihr sehet auch leibhafftig wie ich / und ewr Sprache ist auch eben wie die meine / daß meine Fraw nicht anders meynen solte / als were ichs / und ir soltet wol 1000. Nacht bey ir schlaffen / und sie solte meynen ich were es.

HANS. Ist die Sprache auch eben wie ewer / wenn ich so außsehe?[578]

WILHELM. Ja gar recht als redet ich selber.

HANS. A ha haha / das habe ich noch nicht eins gewust / ja daß ist ein Kunst. O wenn ich diese Kunst vor ein Jahr oder 12. gewust aha / so solte es recht angangen seyn. Denn wenn mich alßdenn ein Kerl viel gebrühet hette / und were es auch der König gewesen / so wolte ich in darfür bey seiner Frawen geschlaffen haben / gleubt mir dieses zu bey meiner ehrnvesten Redligkeit / denn nun frage ich so sehr nicht nach / und vornemlich wil ichs derhalben nicht thun. Umb ewrenthalben habe ich diese edle Kunst mich lernen kssen / dieweil ich euch in Verdacht hielt mit meiner Frawen / als soltet ihr bey ihr schlaffen: Nun hab ichs probiret und habe euch und meine Fraw redlich und ehrlich funden / denn wie ich in ewer Gestalt zu ihr kam / unnd fragte nach der Schantz / begönnete sie zu schlagen / sagte ich hab meinen hertzlieben Mann Hans da / den liebte ich allein.

WILHELM. O das vergebe euch [Gott ihr] habt so ein ehrliche Fraw. Ich dancke euch aber darneben freundtlich / daß ihr meine Fraw verschonen wollet.

HANS. Das habe ich euch gelobet und wils auch halten / gleich eim ehrlich Hans. Aber hette ich meine Fraw untrew funden / so hette ich ewer Fraw auch gar behalten.

WILHELM. Ja derhalben ist ewr Fraw und ich gar zu ehrlich. Mein lieber Hans / es ist doch gar ein Kunstreiche Kunst / laß sie doch all unsere Bawren sehen / ich wil die Glock ziehen / und sie zusammen leiten.[579]

HANS. Das wil ich thun / die Lawren werden sich gewaltig verwundern. Sehet euch umb / ich wil Wilhelm werden.

WILHELM. Seht seht / er sieht wieder als ich / leibhafftig siehet er auß alß were er mir hinden auß dem Auge / damit ich ihn muß sehen / gekrochen. Wanne wanne ein Kunstreich Hans.


Finis.


Quelle:
Spieltexte der Wanderbühne. Berlin 1970, S. 567-580.
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